Veltenhof Einleitung
Wenn man Veltenhof von Süden her besucht, führt der Weg durch üppige Wiesen und über eine Brücke, und man spürt etwas vom Zauber, den dieses Dorf auf dem hohen Ufer des Okerbogens einst besessen haben mag. Freilich vom „Theletunnum“ oder „Velittunum“, das die alten Urkunden erwähnen, ist nichts mehr geblieben; aber das Vorwerk, gleich rechts, wenn man über die Brücke kommt, erzählt von jahrhundertlanger landwirtschaftlicher Nutzung durch das Waisenhaus BMV.
In diesen Gebäuden – dem „Alten Hof“ – brachte der Herzog Carl I. im Jahre 1750 zwölf Pfälzer Auswandererfamilien vorläufig unter; drei Jahre später konnten sie die acht bescheidenen Siedlerhäuser an der Straße „Unter den Linden“ beziehen. Der Herzog hatte die Pfälzer in der Hoffnung eingeladen, sie könnten durch Aufbau von Wein und Tabak seiner Landwirtschaft neue Impulse geben. Die Kolonisten führten einen harten Kampf mit dem kargen Sandboden, mit Krieg und Krankheit, doch sie hielten tapfer zusammen, schlossen sich gegen die Außenwelt ab und bewahrten ihr Pfälzer Brauchtum und ihre Mundart.
Meist kommt man von der „Gifhorner Straße“ über die „Schmalbachstraße“ und den „Münzberg“ nach Veltenhof. Da zeugen schon die schmucken Häuschen der Siedlung „Im Heidekamp“ Vom Aufschwung des Dorfes. 1850 begannen die Veltenhöfer, Spargel auf ihren sandigen Äckern anzubauen und legten damit den Grundstein zu ihrem wachsenden Wohlstand.
Wandert man auf dieser Straße weiter, so erzählt jedes Haus vom allmächlichen Wachsen des Dorfes. Seine Bewohner hatten frühzeitig das Baugewerbe zur zweiten Stütze ihres Broterwerbes gemacht: der Ruf des Veltenhöfer Steinsetzerhandwerks stand dem des Spargels in keiner Weise nach.
Da die Häuserzeilen in Richtung Wenden und Walle ständig wuchsen und hier und da eine zweite Zeile im langgestreckten Straßendorf entstand, musste bereits 1887 ein dritter Schulneubau bezogen werden.
Inzwischen reiften auch die sehr alten Pläne einer west-östlichen Wasserstraße heran: Der Mittellandkanal mit dem für Braunschweig so wichtigen Hafen verschlang einen Großteil der Veltenhöfer Spargeläcker, brachte aber zugleich Menschen und neue Gewerke aus allen Gegenden Deutschlands ins Dorf, so daß seine Bewohner – ob sie wollten oder nicht – ihre Isolierung langsam aufgeben mussten. Jetzt war natürlich auch das Interesse der Stadt Braunschweig geweckt, die das Eingemeindungsverfahren voran trieb. Es gab Reibung und Widerstände, denn es war ein Lernprozeß für künftige ähnliche Verfahren.
Aber 1931 war der Vertrag unter Dach und Fach, so daß die Hafeneröffnung 1933 für alle Beteiligten einen Gewinn bedeutete. Übrigens wurde der Aushub der Hafenbeckens im Norden Veltenhofs gelagert; diese Kippe ist als Schutz gegen das Industriegebiet Nord heute nicht mehr wegzudenken.
Hafenbetrieb, ausländische Landarbeiter und – nach 1945 – auch die Umsiedler aus Schlesien und Ostpreußen sowie eine Sozialsiedlung in Schlichtbauweise am „Wendener Weg“ erweiterten die herkömmliche Bevölkerungsstruktur erneut. Durch Zuzug entstanden Baugebiete, wie die des „Stillen Winkels“, dessen Häuser aus wiederaufbereitetem Trümmerschutt Braunschweigs errichtet wurden. Gleichzeitig baute man die Häuser der Straße „Dreisch“ auf dem Gebiet einer zugeschütteten Sandgrube. Die Siedlung um die „Mannheimstraße“ entstand auf ehemaligen Spargeläckern.
Zwar überwiegen die alten Pfälzer Namen Ding, Volker, Maul und Uster immer noch, wie auch Pfälzer Sprache und Tradition noch nicht ausgestorben sind. Dennoch gelang die Integration neuer Bevölkerungsteile. Man erlebt sie bei gemeinsamen Festen, beim Sport und beim Leben in der reformierten Kirchengemeinde. Sie hat im Jahre 1930 die alte Windmühle von 1876 zur Mühlenkirche umfunktioniert und später zu einem vielseitig nutzbaren Gemeindezentrum erweitert. In ihr lebt der Auswanderergeist der Vorfahren weiter und manifestiert sich in Überkonfessioneller Seelsorge und Gemeinwohltätigkeit.
Dr. Ulrich Falkenroth